K aputte Glühbirnen (1998):
In einer Moskauer
Metrostation saß mitten in der Stalinschen Pracht neben einem Kiosk ein
altes Mütterchen mit Korb, hinter ihr lehnte eine Krücke. Sie verkaufte Glühbirnen, der
Korb
war voll. Auffallend war, dass es unverpackte, nackte Glühbirnen waren, spottbillig, dennoch
lief das Geschäft schleppend. Die Alte trank dampfenden Tee aus der Kanne, aß Piroggen;
nach den Resten auf der Jacke mit Kraut gefüllt. Sie rief: „Kaputte Glühbirnen, kauft kaputte
Glühbirnen! Billig, fast geschenkt!
Unsicher, ob er
richtig verstanden hatte, fragte er die Begleiterin.
„Ja, kaputte Glühbirnen.
Sie drängte zum Kaufhaus.
Er blieb stehen.
„Welchen Sinn hat es, kaputte Glühbirnen zu verkaufen? Wer ist so blöd, sie zu
kaufen?
Ein mitleidiger
Blick streifte ihn wie immer, wenn er hinterfragte, was jedem Russen klar war.
„Die Frau ist nicht dumm und die Leute, die kaufen, sind es auch nicht!
Erstaunt sah er
einen Mann drei Stück kaufen und in der Aktentasche verstauen. „Was macht
er damit?
„Mein Gott,
sagte sie ungeduldig, „so kann nur ein Westler fragen! Er schraubt sie ein, was
sonst!
„Aber sie brennen
nicht, sind doch kaputt!
Die Russin grinste.
„Natürlich brennen sie nicht. Wenn sie kaputt sind, können sie auch nicht
brennen, oder?
Er guckte verblüfft.
„Du musst noch
viel lernen. Sie schrauben die Glühbirnen doch nicht zu Hause ein, sondern im
Büro, in der Fabrik oder im Nachbarhaus!
„Aber dort brennen
sie doch auch nicht! rief er.
Wieder dieser Blick.
„Du weißt, Glühbirnen sind ein Defizit! An seiner Miene konnte sie
ablesen, dass er nicht verstand. „Ist doch klar: Sie schrauben die kaputten ein und nehmen die
heilen mit! Gerade kam ein Passant und kaufte, das Geschäft belebte sich.