2.3 Kaputte Glühbirnen
K aputte Glühbirnen (1998):
In einer Moskauer Metrostation saß mitten in der Stalinschen Pracht neben einem Kiosk ein altes Mütterchen mit Korb, hinter ihr lehnte eine Krücke. Sie verkaufte Glühbirnen, der Korb war voll. Auffallend war, dass es unverpackte, nackte Glühbirnen waren, spottbillig, dennoch lief das Geschäft schleppend. Die Alte trank dampfenden Tee aus der Kanne, aß Piroggen; nach den Resten auf der Jacke mit Kraut gefüllt. Sie rief: „Kaputte Glühbirnen, kauft kaputte Glühbirnen! Billig, fast geschenkt!“
Unsicher, ob er richtig verstanden hatte, fragte er die Begleiterin.
„Ja, kaputte Glühbirnen.“ Sie drängte zum Kaufhaus.
Er blieb stehen. „Welchen Sinn hat es, kaputte Glühbirnen zu verkaufen? Wer ist so blöd, sie zu kaufen?“
Ein mitleidiger Blick streifte ihn wie immer, wenn er hinterfragte, was jedem Russen klar war. „Die Frau ist nicht dumm und die Leute, die kaufen, sind es auch nicht!“
Erstaunt sah er einen Mann drei Stück kaufen und in der Aktentasche verstauen. „Was macht er damit?“
„Mein Gott“, sagte sie ungeduldig, „so kann nur ein Westler fragen! Er schraubt sie ein, was sonst!“
„Aber sie brennen nicht, sind doch kaputt!“
Die Russin grinste. „Natürlich brennen sie nicht. Wenn sie kaputt sind, können sie auch nicht brennen, oder?“
Er guckte verblüfft.
„Du musst noch viel lernen. Sie schrauben die Glühbirnen doch nicht zu Hause ein, sondern im Büro, in der Fabrik oder im Nachbarhaus!“
„Aber dort brennen sie doch auch nicht!“ rief er.
Wieder dieser Blick. „Du weißt, Glühbirnen sind ein Defizit!“ An seiner Miene konnte sie ablesen, dass er nicht verstand. „Ist doch klar: Sie schrauben die kaputten ein und nehmen die heilen mit!“ Gerade kam ein Passant und kaufte, das Geschäft belebte sich.